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Angelfischerei

Historie und aktueller Status

 

Das heutige Angeln oder auch Sportfischen mit Spieß, Netz und Angel geht auf die Zeit um 3500 v. Ch. zurück. Im Mittelalter lagen die Rechte des Fischfanges an Binnenflüssen unserer Regionen bei den Fürsten und Klostergemeinschaften, wo auch die Fischzucht in Teichanlagen begann. Das Freizeitfischen und besonders auch das Fliegenfischen war im 18. Jahrhundert den Wohlhabenden vorbehalten. Mit dem Fortschritt, leistungsfähiges Anglermaterial herstellen zu können, verbreitete es sich jedoch im 20 Jahrhundert in der Masse. Um Freizeitangler zufriedenzustellen, wurden weltweit auch nichtheimische Fischarten eingeführt und in Gewässern ausgesetzt wie z.B. deutschlandweit die Regenbogenforelle.

 

Bundesweit angeln ca. 3,3 Millionen Menschen. In Hessen gibt es laut VHF e.V. ca. 40.000 Mitglieder. Hinzu kommt eine wohl nicht unerhebliche Zahl von Fischwilderern. Insgesamt sind wohl nur etwas über die Hälfte der Anlgler in Vereinen organisiert. Im Mittel entnimmt jeder deutsche Angler den Gewässern ca. 13 kg Fisch im Jahr. Der angelfischereiliche Gesamtertrag konnte auf 45.000 t pro Jahr geschätzt werden, was somit der Größenordnung der gesamten kommerziellen Binnenfischerei entspricht. Nicht eingerechnet ist hier der Beifang, der eigentlich laut entsprechender EU-Richtlinie mit einzberechnen ist.

 

In "Arlinghaus, R. (2004). Angelfischerei in Deutschland – eine soziale und ökonomische Analyse. Berichte des IGB 18, 168 pp." findet sich nach einer wissenschaftlichen Umfrage folgende Einschätzung:

"Der Großteil der Angler bevorzugte Uferangeln mit natürlichen Ködern, wobei mit Vorliebe in möglichst naturnahen Gewässern größere, natürlich reproduzierte Fische gezielt beangelt wurden. Die Angler in Deutschland zeigten, nach Motiven befragt, wenig Interesse für den Fischfang an sich. Die indirekte Analyse der Zufriedenheitskomponenten beim Angeln ergab hingegen, dass die Befriedigung von Fangerwartungshaltungen entscheidend zur Zufriedenheit des Anglers beitrug. Somit war das Fangen von Fischen entgegen der selbstberichteten Motivation (verständlicherweise) doch ein wichtiges Element der Angelaktivität. Das Umweltbewusstsein der Angler in Deutschland konnte als moderat eingestuft werden. Während Angler sich zunächst, wenn sie ohne Bezug zur Angelei befragt wurden, als „ökologisch denkend“ darstellten, weil sie z.B. Tieren und Pflanzen die gleichen Rechte wie den Menschen einräumten, änderte sich das Bild, als Angler die Einsicht äußern sollten, möglicherweise negative Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme auszuüben (z.B. durch Überfischung). Es stellte sich heraus, dass bei dieser Selbsteinschätzung nur eine Minderheit eine ökologische Grundüberzeugung äußerte. Auch eine Verhaltensänderung zugunsten des Gewässerschutzes wurde von keiner Mehrheit befürwortet. Die meisten Angler waren der Meinung, dass zukünftig entweder die Habitatqualität verbessert oder der Fischbesatz ausgedehnt werden müsse, um eine Verbesserung der Bedingungen für das Angeln zu gewährleisten."

 

Weiter findet sich bei "Riepe, C., Arlinghaus, R. (2014). Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland zum Tierschutz in der Angelfischerei. Berichte des IGB, Heft 27/2014, 196 pp." :

 

"Das deutsche Tierschutzgesetz verlangt einen vernünftigen Grund, wenn Tieren – so auch Fischen – Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden. Nach derzeitiger Rechtsprechung ist ein solcher dann gegeben, wenn man Fische zum eigenen Verzehr oder aus Hegegründen fängt."

 

Dies ist jedoch in der Praxis kaum der Fall, zumal die Angelfischerei keinerlei messbaren Beitrag zur eigentlichen Ernährung der Bevölkerung leistet. Vielmehr gibt es Praktiken wie das sogenannte Put-and-Take-Angeln in kommerziellen Angelteichen, das Wettangeln sowie das freiwillig motivierte Zurücksetzen großer, entnahmefähiger Fische oder die Nutzung lebender Köderfische beim Angeln auf Raubfische. Das Hältern von Fischen ist ebenfalls gängige Praxis und das Töten wird auch in den seltesten Fällen den Vorschriften entsprechend ausgeführt. Es gibt einfach keine Kontrolle dieser Praxis und so haben auch die Einträge in Fangbücher nur sehr begrenzten Aussagewert.

Nutzen der Angelfischerei

 

Der Angelfischerei kommt neben dem eigenen Verzehr von Fischen eine wichtige soziale Funktion und eine Relevanz bzgl. der Naherholung und Freizeitgestaltung in der Bevölkerung zu. Jugendarbeit und regionale Freizeitgestaltung sind wichtige Funktionen in einer sozio-ökologisch nachhaltig lebenden Gemeinschaft. Diese Gestaltung findet vorwiegend im Rahmen des Vereinslebens statt und hat für Jugendliche und Erwachsene in oftmals eine überwiegend positive Auswirkung.

 

Jedoch meinen nur 40% der deutschen Bevölkerung, dass Angeln eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung sei (IGB-Bericht zu gesellschaftlichen Akzeptanz der Angelfischerei).

 

 

Bewertung der Angelfischerei aus Sicht der Wasserrahmenrichtlinie

 

Seit dem Erscheinen der WRRL im Jahr 2000 hat es keine wesentlichen Änderungen in der angelfischereilichen Praxis gegeben.

Entnahme und Besatz erfolgen in Hessen weitgehend unkontrolliert. Von 45 verpflichtenden Hegeplänen sind nur wenige vorhanden und diese entsprechen nicht den Vorgaben der WRRL bzgl. des erlaubten Eingriffes in die Qualitätskomponente Fische. Vor dem Erscheinen der WRRL galt eine Entnahme von bis zu 30% des Gesamtbestandes pro Jahr naturschutzfachlich als nachhaltig. Dies ist in Anbetracht der WRRL keinesfalls mehr der Fall. Dennoch weisen die wenigen existierenden Hegepläne noch Entnahmemengen dieser Größe auf.

 

Die Entnahme von großen, adulten und laichreifen Tieren aus einem Wasserkörper auch nur in geringer Anzahl kann ohne Weiteres eine Verschlechterung der Qualitätskomponete Fische, also den Verlust einer Zustandsklasse zur Folge haben. Letztlich ist die nachhaltige Entnahme nach Vorgaben der WRRL im hessischen Fischereirecht schlicht nicht geregelt (vgl. § 24 (3) HFischG).

 

Ein weiteres Problem ist, dass sich die Angelvereine rechtlich zur Wehr setzen könnten, sich in sogenannten Hegegemeinschaften zu organisieren, was eigentlich durch die Hegeverordnung und den § 24 HfischG seit 2008 so vorgesehen war. Zumindest gibt es keine rechtliche Möglichkeit, verpflichtend entsprechende 45 Hegegemeinschaften zu gründen. Demnach gibt es sie auch nur in wenigen Ausnahmefällen.

 

Der geschütze Aal wird nach wie vor beangelt, was aus Sicht der WRRL ebenfalls zu keinem Zeitpunkt erlaubt sein dürfte. Der Verband hessischer Fischer macht wohlgemerkt als anerkannter Naturschutzverband unterdes mächtig Stimmung gegen diese mögliche zukünftige Vorgabe und man kann sich durchaus fragen inwieweit dies mit dem Verbandsklagerecht noch vereinbar ist.

 

Ähnliche Probleme haben wir beim Besatz, dessen Ausführung nur in Ausnahmen einer guten Besatzpraxis entsprechen dürfte. Fangreife Tiere, Neozonen und nicht aus dem Einzugsgebiet stammende genetisch eng beieinanderliegende Zuchttiere werden massenhaft eingesetzt. Fünfstellige Summen, welche in schmutzige Besatzmaßnahmen investiert werden, sind hierbei für einen einzelnen Angelverein keine Seltenheit. Diese Zuchttiere vertreiben die wenigen autochtonen Tiere, da sie als massiver Nahrungskonkurrent den ohnehin geringen Lebensraum zusätzlich einengen. Die Fischpopulation in unseren Bächen und Flüssen besteht zu 90% und mehr aus künstlich gezüchteten Besatzfischen aus der Aquakultur, die unter Umgehung von Tier- und Naturschutz vom Menschen eingesetzt werden, um die Erträge für die Angelfischerei sicherzustellen. Der Fischbesatz ist in den allermeisten Fällen ein klarer Verstoß gegen die Zielvorgaben der WRRL.

 

Der Besatz des Aales ist ebenfalls nicht mit den Grundsätzen der WRRL vereinbar, da der Aal nicht gezüchtet werden kann und es sich bei den Besatztieren stets um wertvolle Wildfänge handelt, weche an anderer Stelle fehlen. Aalbesatz ist naturschutzfachlich ohnehin wenig sinnvoll, da der Aal nicht in das Aufwuchshabitat seiner Eltern zurückkehrt, sondern in eine beliebige Flussmündung von Portugal bis Estland einwandert. Die einzige Motivation des Aalbesatzes ist demnach die Entnahme dieser geschützten Art.

 

Das Betreten von Wehren, also auch von nicht durchgängigen Wanderhindernissen, ist explizit gestattet (vgl. § 15 HfischG). Dieses Beispiel alleine zeigt, wie wenig Einfluss die WRRL bisher auf das Hessische Fischereirecht gehabt hat. So dürfen an einem Wanderhinderis, an welchem Wanderfische massenhaft anstehen, selbige aufgrund des § 15 HfischG leicht und auf wenig waidmännische Weise abgeangelt werden.

 

Dazu das Zitat eines Ministerialbeamten: "Das hessische Fischereirecht ist von jemanden geschrieben worden, der angeln will."

 

Der Vollzug der WRRL im Bereich Angelfischerei ist aus vielen Gründen erst am Anfang einer Überarbeitung gemäß den Vorgaben der WRRL. Das zuständige Ministerium lässt sich von dem übermächtigen und krakelenden Anglerverband ständig vor sich hertreiben und sieht den Verstößen seit Jahrzehnten fast tatenlos zu.

Die Interessenvertretung der Angler

 

Viele Mitglieder sind in Fischereiverbänden organisiert. Fast jede Ansprache des Fischereiverbandes in Hessen gegenüber einem Politiker beginnt mit der Drohung, ihre Macht als Wahlvolk an der Urne auszunutzen. So treiben sie die Politik und auch die Ministerialbeamten vor sich her.

 

Mit der Anerkenung von Fischereiverbänden als Naturschutzverbände hat sich der Gesetzgeber offiziell vielleicht eine größere Mithilfe bei der Erreichung naturschutzfachlicher Ziele erhofft. Insbesondere eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der natürlichen Oberflächengewässer sollte zukünftig durch die Einbindung der Fischereiverbände in die Reihe der anerkannten Naturschutzverbände endlich einmal erfolgen. Die Realität sieht jedoch leider noch völlig anders aus.

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