Offensichtliche Verstöße
gegen die Wasserrahmenrichtlinie in Hessen:
Kläranlagen
→ Sehr viele der ca. 720 Kläranlagen in Hessen sind überfordert, arbeiten an der Grenze ihrer Möglichkeiten und können in vielen Fällen keine ausreichende Gewässergüte mehr gewährleisten. Hinzu kommen die geringen natürlichen Abflüsse in den Sommermonaten, die eine ausreichende Verdünnung des Klärwassers bei der Einleitung in die Gewässer zusätzlich verhindern. Orientierungswerte werden häufig überschritten, und der Energieaufwand zum Betrieb der Anlagen stellt in den kommunalen Haushalten fast immer die Position der höchsten Energiekosten dar.
Die 4. Klärstufe
→ Viele neuartige Wirkstoffe und Verbindungen gelangen in unser Abwasser und werden dann im Klärwasser nicht überprüft. Kosten für eine umfassende Analytik und die Erforschung der Komplexität der Auswirkungen sind hoch bzw. unklar. Die Erweiterung um die 4. Klärstufe in unseren Kläranlagen wäre die Lösung, sie ist jedoch sehr kostenintensiv bzw. aufwendig und wird daher nur sehr vereinzelt und nur in kleinen Anlagen getestet.
Kunststoffmüll und Mikroplastik
→ Kunststoffmüll und Mikroplastik in unseren Gewässern sind allgegenwärtig. Reifenabrieb von einer ungebremsten Mobilitätsentwicklung führt dabei die Liste an (siehe Studie des Fraunhofer-Instituts). Es gibt keine Initiative, dieses maßgeblich zu ändern oder auch nur einzudämmen.
Ein kleiner Teil dieses Plastikmülls wird durch Betreiber von Kleinwasserkraftanlagen am Rechen entnommen. Dies geschieht auf eigene Rechnung der Betreiber. Es wäre sinnvoll, jeweils eine Wasserkraftanlage im Unterlauf von Gewässern mit einer Schwemmgutentnahme und einer Müllsortierung zu versehen, so dass organisches Material weitergeführt werden kann, während der Kunststoffmüll entnommen wird. Es gibt leider keine Initiative dieser Art.
Industrielle Einleiter
→ Abgesehen von den ca. 720 Kläranlagen gibt es in Hessen viele industrielle Einleitungen in Oberflächengewässer. Die Kohleverstromung sorgt für steigende Quecksilberkonzentrationen in unseren Gewässern eingeleitet durch die Luft. Auch werden industrielle Stoffe im Abwasser in den Kläranlagen nachgewiesen.
Mehr dazu auf im Artikel der Hessenschau über Einleiter Merck.
Pharmazie
→ Die pharmazeutische Industrie übernimmt keinerlei Verantwortung für die Wirkung ihrer Medikamentenrückstände in unseren Gewässern. Übermedikation ist ein weit verbreiteter Missstand im Gesundheitswesen. Sie belastet unser Gesundheitssystem und wird seit Jahren nicht abgestellt. Die allermeisten Medikamentenrückstände landen ungeklärt in unseren Gewässern und richten dort erheblichen Schaden an.
Nitrat- und Phosphateinträge
→ Deutschland isst und produziert soviel Fleisch zu so geringen Kosten wie nie zuvor, und die EU-Kommission mahnt Deutschland, das EuGH-Urteil umzusetzen und Nitratgehalte im Grundwasser und in Gewässern zu reduzieren. Die Umweltpolitik reagiert mit der Düngemittelverordnung. Die Politik schafft es jedoch nicht, den Handel zu zähmen, so dass endlich ein fairer Preis beim Erzeuger ankommt, obwohl der Verbraucher willens ist, einen höheren Preis zu zahlen. "Masse statt Klasse" ist daher weiterhin der einzige Ausweg für viele Produzenten mit haltungsbedingten Auswirkungen auf unsere Gewässer wie z.B. auch multiresistenten Erregern (MRE).
In Hessen gibt es keine Hausschlachtung mehr, und man findet kaum einen Metzger, der noch eine Schlachtung für Landwirte mit beispielsweise extensiver Haltungsweise im kleinen Maßstab durchführt. Gerade diese extensiven Haltungen sind besonders gewässerfreundlich, da sie kaum Einträge in die Gewässer verursachen.
Trinkwasserverbrauch
→ Der Trinkwasserverbrauch in Hessen steigt ständig auf neue Rekordhöhen. Grundwasserstände sinken aufgrund des hohen Verbrauches und des Klimawandels in extremer Weise. Im hessischen Ried findet Bewässerung mit Oberflächenwasser statt, um den Grundwasserspiegel und den Betrieb der Brunnen noch zu gewährleisten. Das Grundwasser im hessischen Ried und im Vogelsberg wird seit Jahren für die Versorgung der Ballungsräume übermäßig genutzt.
Angelfischerei
→ Ca. 40.000 hessische Angler entnehmen weitgehend unkontrolliert Fisch aus unseren Gewässern. Es gibt keine Begrenzungen der Entnahme, die den Anforderungen der WRRL gerecht würden. Gleiches gilt für den Besatz. Die Vorgaben der WRRL sind gerade mal ansatzweise in das hessische Fischereirecht eingearbeitet und die überwiegende Mehrheit der Deutschen hält die Angelfischerei ohnehin für keine sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
Städte- und Straßenbau
→ Die Städtebauaktivität ist ungebrochen. Es werden in zunehmenden Maße Flächen in Auen versiegelt und bebaut und die Freiräume der Oberflächengewässer immer weiter eingeengt. Unsere Oberflächengewässer sind durch Flächenbeanspruchung in den Auen und in hohem Maße durch Längsverbau gekennzeichnet. Fast alle Siedlungen haben ihren Ursprung am Wasser und damit in den Auen. Verkehrsentwicklung mit Straßen- und Brückenbau nimmt immer weiter zu und engt Gewässer weiter ein. Eine weitere Zunahme ist mit den Vorgaben der WRRL nicht mehr vereinbar. Es kommt dadurch auch zum Verlust von wertvollen landwirtschaftlichen Flächen.
Wasserkraft
→ Auch die Wasserkraftnutzung verzeichnet noch Verstöße gegen die WRRL. Es gibt noch Anlagen, an denen es keine Fischwege gibt. Insbesondere Fischaufstiege fehlen an solchen Querbauwerken, an denen sie aufgrund der baulichen Gegebenheiten schwer realisierbar sind oder es aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Betreiber seit dem EEG 2014 nicht möglich ist, diese zu finanzieren.
Generell ist die Wasserkraft unter allen Gewässernutzern diejenige, die ihre Verträglichkeit mit den strengen Vorgaben bereits vielfach unter Beweis gestellt hat und gerade bei den kleinen und mittleren Anlagen auch auf eigene Initiative hin ständig die Modernisierung betreibt. Um so schwerer ist es zu verstehen, dass gerade die Wasserkraft in Hessen besonders einseitig und mit vernichtender Härte durch die WRRL in Form des Mindestwassererlasses getroffen wird und Punktquellen wie Kläranlagen und industrielle Einleiter von dem Maßnahmen vergleichsweise ausgenommen sind.
Fazit:
Wasserkraftnutzung ist mit den richtigen begleitenden Maßnahmen unschädlich für die Gewässerökologie. Sie trägt unter den Gewässernutzern den mit Abstand geringsten Beitrag zu dem von den Zielen abweichenden Zustand unserer Oberflächengewässer bei. Sie hat zudem keinesfalls einen nachteiligen Einfluss auf die physikalische Chemie, das Grundwasser und die Trinkwassergewinnung.
Bei Anlagen mit veralteten Fischschutz und Fischabstiegsanlagen kann es zur Tötung oder Verletzung kommen. Modernisierte oder neue Anlagen haben im allgemeinen keinen negativen Einfluss auf den Fischbestand.